Der Kanaren-Girlitz (Sirinus canaria)

Gilt derzeit als nicht gefährdet.

Wir haben es den Spaniern zu verdanken. Sie haben den Grundstein für unser Hobby gelegt. Sie wären bestimmt sprachlos wenn sie sehen könnten, was aus diesem kleinen Girlitz im Laufe von sechs Jahrhunderten alles geworden ist. Ob die Ureinwohner der Kanaren den Kanaren-Girlitz als Käfigvogel hielten, ist wegen seines schönen Gesangs wahrscheinlich, aber umstritten. Man weiß es also nicht. Man weiß aber, seit der Eroberung der Kanarischen Inseln im 15. Jahrhundert brachten die Spanier den Kanaren-Girlitz nach Europa.

 

Der Eroberer der Inseln Jean de Béthencourt verschenkte Vögel an Johann II. von Kastilien und León sowie später an den französischen Königshof, wo Isabeau de Bavière sich besonders für die Vogel- Zucht begeisterte. Conrad Gessner beschrieb die Vögel in seiner Historia animalium (1555) als erster und berichtete, sie würden „Zuckervögelchen“ genannt. Ob nun weil von den Kanaren auch Zucker kam oder weil Vögel wie Zucker Luxusgüter waren, ist unbekannt. Wegen ihres Gesangs und ihrer Munterkeit erlangten sie schnell große Beliebtheit und wurden zum Symbol für Luxus und Weltgewandtheit.

 

Aufgrund der steigenden Nachfrage mussten sie in großen Mengen verschifft werden.

Da die Klöster große Einnahmen durch den Handel mit Kanarengirlitzen erwarteten, begannen die Mönche mit der Zucht von Kanarienvögeln. Hier wies vor allem das Kloster Cádiz große Erfolge auf. Um ihr Monopol zu wahren, verkauften die Spanier nur die Männchen, die wegen ihres schönen Gesangs besonders bei den Damen des Adels und der reichen Bürger äußerst beliebt waren. Spanien verkaufte die Kanarienvögel an Portugal, England, Frankreich und Italien. Um 1550 gelangten die Italiener jedoch in den Besitz von Kanarienvogelweibchen und begannen eine eigene Zucht. Das Monopol der Spanier brach zusammen.

 

Um 1600 wurde auch im Königreich von England damit begonnen, Kanarienvögel zu züchten. Königin Elisabeth I. war von den Kanarienvögeln begeistert und stellte Bedienstete für die Pflege und Zucht dieser kleinen Vögel ein. Die Briten legten schon damals auf das äußere Erscheinungsbild großen Wert. Um 1650 wurde in England der erste Hauben-Kanarienvogel, um 1700 der erste Frisé- und Positur-Kanarienvogel gezüchtet. Als sich Handwerker und Arbeiter Kanarienvögel leisten konnten, nahm die Zucht professionelle Züge an.

 

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde auch in Frankreich die Kanarienvogelzucht betrieben. Die Franzosen achteten dabei vor allem auf die Färbung.

 

Vor 1600 traten bei der Zucht erste Mutationen auf. Zuerst waren es gelbe Flecken im Gefieder, die recht bald zu reingelben Vögeln gezüchtet wurden. Auch die Tiroler Gesangskanarien waren überwiegend gelb. Im Jahr 1667 wurde in Deutschland von reinweißen Kanarienvögeln berichtet. Zuvor waren Gemälde von weiß gescheckten Kanarienvögeln zu sehen. Auch graue, grau gescheckte und braune Kanarienvögel wurden in Büchern des 17. und 18. Jahrhunderts erwähnt. In diese Zeit fallen auch die Achatvögel, die in Holland erstmals erwähnt wurden. Die Mutationen der weißen, grauen und Achatvögel verschwanden, da zu jener Zeit die Vererbungsregeln noch nicht bekannt waren.

 

Schon um 1600 züchteten die Tiroler die Kanarienvögel nach und gründeten nach einigen Jahren eine Zucht- und Handelszentrale. Bald hatten sie gelbe und weiße Kanarienvögel gezüchtet. Zudem kamen sie auf die Idee, Nachtigallen als Vorsänger für die jungen Hähne einzusetzen. In Imst am Inn wurde eine Gesellschaft für den Versand in alle Welt gegründet. Die Tiroler Vogelhändler zogen mit Rückengestellen, auf denen Kanarienvögel in kleinen Holzkäfigen getragen wurden, durch ganz Europa. Um 1700 gelangten die Kanarienvögel über Tirol nach Deutschland und in die Niederlande. Innsbruck, Nürnberg und Augsburg werden als Handelszentren genannt. Bis Ende des 16. Jahrhunderts wurden nur Gesangskanarien gezüchtet.

Danach wurde auch auf die Farbe und zuletzt auf die Positur Wert gelegt.

 

Die Blütezeit der Kanarienvogelzucht war das 18. Jahrhundert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann im Harz die Zucht, da viele Tiroler auf Grund höherer Löhne dorthin ausgewandert waren. Hier konzentrierte man sich auf den Gesang und verbesserte die Gesangsqualitäten. So wurde der Harzer Roller innerhalb relativ kurzer Zeit weltberühmt.

Ab 1842 wurden Kanarienvögel vom Harz in die USA exportiert. Der Absatz stieg 1860 bereits auf 15.000 pro Jahr. 1882 wurden 120.000 Kanarienvögel nach New York transportiert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die Harzer Zucht ihren Höhepunkt: Über eine Million Harzer Roller wurden exportiert.

 

Kanarienvögel dienten auch als "Gaswarnanlage" der Harzer Bergarbeiter.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Farbenkanarienzucht populär. Die seinerzeit ausgestorbenen Mutationen traten wieder auf und es kamen noch weitere hinzu. Mit dem Wissen der Vererbungsmechanismen (Mendelsche Regeln) war es nun nicht mehr schwer, die aufgetretenen Mutationen zu festigen und stabile Zuchtstämme aufzubauen.

 

Das wohl größte Ereignis in der Farbenkanarienzucht war die Realisierung des roten Kanarienvogels durch die Einkreuzung des Kapuzenzeisigs. Es war jedoch ein langer Weg, das Rot zu stabilisieren, da nur ein geringer Prozentsatz der männlichen Mischlinge aus Kanarienvogel und Kapuzenzeisig fruchtbar war. In der Zeit zwischen 1915 und 1925 gelang es einigen deutschen Züchtern – vor allem dem in Ostpreußen lebenden Bruno Matern – die roten Kanarienvögel zu festigen. Auch wenn die Farbenkanarienzucht in Deutschland die wohl wichtigsten Impulse bekam, so wurde doch diese Zucht in den Niederlanden und Belgien viel fleißiger betrieben.

 

Bei der Kanarienzucht werden große Fortschritte erzielt, so dass einige Rassen so in ihrem Genmaterial gefestigt sind und international anerkannt werden. Auch werden fast jährlich neue Rassen aus fernen Ländern entdeckt.

 

Die Zucht

Kanarienvögel werden entweder nach Gesang, nach Gesang und Farbe oder nur nach Farbe oder nach Positur gezüchtet.

Während die deutsche Kanarienvogelzucht ihren Schwerpunkt auf die Verfeinerung der Gesangsqualitäten legte, konzentrierten sich die englischen Züchter schon im 18. Jahrhundert auf die Erzüchtung von Kanarienvögeln mit anderer Gestalt. Auf dem europäischen Festland beschäftigte man sich neben der Gesangskanarienzucht mit der Zucht von farblich abweichenden Vögeln. So entstanden die drei großen Zuchtrichtungen Gesang, Farbe und Positur.

 

Gesangskanarien

In der Gesangszucht wurde durch ständige Auslese aus dem Lied des wilden Kanarengirlitzes der heute bekannte Kanarienvogelgesang entwickelt. Nachdem der Gesang in unterschiedliche Teile (Touren) gegliedert war, wurde 1922 in Kassel die „Deutsche Einheitsskala“ fixiert, in der Werteinteilungen und Punktzuordnungen festgeschrieben sind. Im Jahre 1959 wurde das Lied in zwei Tourengruppen, die Werttouren und die Fehltouren unterteilt. Die neun Werttouren – Hohlrolle, Knorre, Wassertour, Hohlklingel, Schockel, Pfeife, Glucke, Klingel und Klingelrolle – werden je nach der vorgetragenen Variation, der Klangfarbe, dem Tonumfang, dem Wohlklang und der Reinheit in drei Stufen bewertet. Das Erkennen und richtige Einstufen der Touren setzt jahrelange Erfahrung und Fachkenntnis in der Zucht voraus.

 

Farbenkanarien

Zurzeit sind in den Zuchtorganisationen über 400 Farbschläge anerkannt. Die Farbe der Kanarien setzt sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammen: Die Grundfarbe geht von Gelb bis Feuerrot oder Weiß. Das Gelb und Rot der Kanarienvögel wird aus Carotinoiden (auch Lipochrome oder Fettfarbe genannt)gebildet. Dazu werden Provitamine A oder fertige Carotinoide mit der Nahrung aufgenommen.

Je nach der genetischen Voraussetzung des Kanarienvogels werden diese Carotinoide oder Provitamine A zu körpereigenen Carotinoiden (den Lipochromen) umgewandelt oder direkt zur Federfärbung verwendet.

 

Positurkanarien

Diese Zuchtform hält bis in die heutige Zeit an und wird nicht nur in England, sondern mittlerweile in der ganzen Welt betrieben. Die Erzüchtung neuer Positurvögel geht bis in die heutige Zeit weiter, wie die relativ jungen Rassen Fiorino, Makige, Rheinländer, Mehringer usw. zeigen. Derzeit sind 29 Positurrassen, die wiederum in unterschiedliche Farbschläge aufgeteilt sind, anerkannt. Zur Zeit steht eine neue Rasse, die "Deutsche Rotschecke" vor ihrer Anerkennung.

An den Bezeichnungen der Positurvögel erkennt man die Herkunft, da sie von den Regionen, in denen sie erzüchtet wurden, abgeleitet sind. Der „Große Vogel von Gent“, der bereits um 1600 in den flämischen Küstengebieten des Königreichs der Vereinigten Niederlande erzüchtet wurde, ist der Stammvater vieler, speziell der englischen Positurvögel.

Alle gebogenen Positurvögel gehen wahrscheinlich auf den Bossu Belge mit typisch belgischem Gepräge zurück, der seinen Ursprung im „Großen Gent’sen Vogel“ hat und etwa ab 1800 als eigenständige Rasse gilt.

Der Ursprung der frisierten Positurvögel liegt in der Rokokozeit (1720–1780). Die verspielten Formen stellten in dieser Zeit eine Mode dar, die sich bis in die heutige Zucht auswirkt. Im Jahr 1758 wird erstmals ein 

Kanarienvogel mit „Flaumfedern“ erwähnt, dessen Beschreibung sich auf die Gefiederstruktur bezog. Heutzutage werden diese Federn als Locken oder Frisurenfedern bezeichnet.

 

Als Ursprung aller frisierten Positurvögel gilt der Pariser Trompeter, der nicht in Paris, sondern in den holländisch-belgischen Provinzen erzüchtet wurde. Da in dieser Gegend zu dieser Zeit der „Große Gent’se Vogel“ weit verbreitet war, ist anzunehmen, dass dieser auch bei der Erzüchtung der frisierten Rassen beteiligt war.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden erstmals die gebogenen und frisierten Rassen erzüchtet. Ihre Stammväter stellen wahrscheinlich die frisierten (Pariser Trompeter) und die gebogenen (Bossu Belge) Stammrassen dar.

 

Bei den Positurkanarien legen die Züchter in erster Linie auf die Form (Positur) Wert. Die Farbe der Vögel ist im Gegensatz zu den Farbzüchtungen bei den meisten Positurkanarien nebensächlich. Daher finden sich in diesem Bereich der Zucht auch gescheckte Kanarienvögel. Die Positurkanarien gliedern sich in:

 

Kleine glatte Positurvögel

Gloster Fancy – eine englische Positurrasse mit Haube (Corona), der Glattkopfpartner wird „Consort“ genannt.

Deutsche Haube, eine deutsche Positurrasse mit Haube; zugelassen sind hier alle Kanarienfarbschläge außer Schecken.

 

Fife Fancy – englische Positurrasse

Border Fancy – englische Positurrasse

Raza Espanõla – spanische Positurrasse

Lizard – englische Positurrasse mit markanten Zeichnungsmuster

Harlekin – Positurrasse mit dreieckiger Haube

Irish Fancy - irische Positurrasse

 

Große glatte Positurvögel

Norwich – englische Positurrasse

Crested – englische Positurrasse mit Haube; der Glattkopfpartner wird „Crestbred“ genannt

Berner – Schweizer Positurrasse

Lancashire – englische Positurrasse mit Haube (Coppy); der Glattkopfpartner wird „Plainhead“ genannt

Yorkshire – englische Positurrasse

Llarget Espanõl – spanische Positurrasse

 

Glatte Haltungskanarien

Japan Hoso – japanische Figuren-Rasse

Rheinländer – deutsche Figuren-Rasse

Münchener – deutsche Figuren-Rasse

Scotch – schottische Figuren-Rasse

Bossu Belge – belgische Figuren-Rasse

 

Frisé-Kanarien

Fiorino Glattkopf

Nordholländer – niederländische Frisé-Rasse

Fiorino – italienische Frisé-Rasse mit Haube

Mehringer – deutsche Frisé-Rass

Paduaner – italienische Frisé-Rasse

Pariser Trompeter – französische Frisé-Rasse

AGI (Arigante Gigante Italiano) – italienische Frisé-Rasse

 

Frisierte Haltungskanarien

Südholländer – niederländisch/belgische/französische Figuren-Frisé-Rasse

Gibber Italicus – italienische Figuren-Frisé-Rasse

Schweizer Frisé – Schweizer Figuren-Frisé-Rasse

Makige – japanische Figuren-Frisé-Rasse

Giboso Espanõl – spanische Figuren-Frisé-Rasse

Melado Tinerfeno – spanische Figuren-Frisé-Rasse

Deutsche Haube Satinet Gelb schimmel

Norwich gescheckt

Lizard gelb intensiv

Llarget Espanõl Lipochrom Weiß

Mehringer Lipochrom Gelb

Südholländer Lipochrom Gelb

 

Ausstellungen

Nach Ende der Zuchtsaison finden Ausstellungen normalerweise jeden Herbst statt und beginnen im Allgemeinen im Oktober und November. Es gibt viele Vogelausstellungen auf der ganzen Welt. Die Weltausstellung (C.O.M.) wird jedes Jahr in Europa gehalten und zieht tausende Züchter an. Mehr als 20.000 Vögel, darunter auch Kanarienvögel, werden zum Wettbewerb gebracht.

 

Auf den Ausstellungen tauschen Züchter Kenntnisse über die Vererbung von Merkmalen aus und vergleichen Nachzuchten untereinander und mit den für die einzelnen Rassen vorgegebenen Standards. Weiterhin stellen sie die eigenen Ergebnisse des aktuellen Zuchtjahres aus und lassen sie durch dafür ausgebildete Preisrichter bewerten. Ausgestellt werden die Kanarienvögel entweder als Gesangs-, Farben- oder Positurkanarienvögel. Zur eindeutigen Kennzeichnung tragen sie Fußringe mit einer Bandnummer an den Beinen, die das Geburtsjahr und den Züchter benennen. Die Ausstellung erfolgt in genormten Käfigen einzeln oder als so genannte Kollektion (bestehend aus bis zu vier Vögeln je nach Rasse). Diese Ausstellungen sind auch für Publikum vorgesehen.

 

Das heutige Schauwesen

In Deutschland gibt es zwei große Verbände. Den Deutscher Kanarienzüchter-Bund (DKB)  und den AZ-Verband. Diese Verbände veranstalten je, ihre Deutsche Meisterschaft und die AZ-Bundesschau, sowie Ihre Landes- und Vereinsschauen, die immer 3-4 Tage beanspruchen.

 

Spezialschauen

Des weiteren gibt es Spezialschauen, die überwiegend von Positur-Züchtern organisiert werden. Das sind grundsätzlich immer Ein-Tages-Schauen. Es sind reine Bewertungsschauen. Diese Spezialschauen werden von Positurzüchtern bevorzugt, weil zu diesen Schauen eben nur Spezial-Zuchtrichter eingeladen werden, die

diese zu bewertenden Rassen über viele  Jahre erfolgreich selbst züchten oder gezüchtet haben.

 

Die Bewertung

Die Gesangskanarien werden ausschließlich nur nach ihrem Gesang bewertet.

Die Farbrassen werden in erster Linie nach der Gefiederfärbung bewertet, auch wenn die Form und die Größe zusätzlich Bewertungskriterien darstellen.

Bei den Positurrassen wird hingegen vor allem die Körperform und -haltung bewertet. In jedem Fall können maximal 100 Punkte vergeben werden.

 

Quelle: auch Wikipedia                                        Galerie